Vom Leder und der Luftschifffahrt

Hinter dicken Backsteinmauern und schweren Holztoren alter Fabrikhallen mussten die Menschen im Kreis Offenbach früher schwer schuften. Viele Männer und Frauen kamen bei der Maloche im Akkord ins Schwitzen, um das Einkommen für ihre Familien zu sichern. In einigen Betrieben wurden Diamanten geschliffen und veredelt, in anderen nähten die Arbeiterinnen und Arbeiter Ledertaschen oder brannten Ziegelsteine. Einige der einst lebendigen Orte der Industriekultur sind im Kreis Offenbach noch gut erhalten. Eine Entdeckungsreise durch die Städte und Gemeinden mit den Schätzen der Maschinen und Manufakturen lohnt sich. Die wechselvolle Industriegeschichte wird in 20 Museen erlebbar.

 

Darunter sind auch Ausstellungsräume und -hallen, die etwas Außergewöhnliches bieten. In Heusenstamm können sich die Bürger und Besucher von auswärts in zwei Einrichtungen mit der Geschichte der Stadt und vielen interessanten Themen beschäftigen: Im Haus der Stadtgeschichte in der Eckgasse 5 hat der örtliche Heimat- und Geschichtsverein ein modernes Museum eingerichtet, das „800 Jahre Heusenstammer Geschichte“ erzählt. Dabei werden wichtige Ereignisse der Weltgeschichte mit dem lokalen Geschehen verknüpft.

Postmuseum Heusenstamm

Postmuseum Heusenstamm

Ein weiteres Highlight ist das Depot des Frankfurter Museums für Kommunikation in der Philipp-Reis-Straße 4, wo sozusagen die Post abgeht. Seit dem Jahr 2000 werden in dem ehemaligen Gebäude des Fernmeldezeugamtes historische Telefone und alte Postwagen ausgestellt. Die Farbe Gelb dominiert, wenn die Besucher des Museums durch die Hallen schreiten und sich auf einen Rundgang durch die Telefongeschichte begeben.
Zu den Exponaten gehören neben den technischen Geräten mit Wählscheibe auch viele ausrangierte Postwagen, die das Herz eines jeden Oldtimer-Freundes höher schlagen lassen. In den 1930er Jahren sahen viele Bürger rot, denn in dieser Farbe waren die Postautos damals lackiert. Wer sich zwischen Briefkästen und Telefonhäuschen auf die Entdeckungsreise begibt, erfährt auch, dass Elektro-Autos keine neue Erfindung sind, sondern dass die Deutsche Reichspost bereits in den 1920er Jahren mit Strom-betriebenen Fahrzeugen Briefe und Pakete auslieferte.
www.mfk-frankfurt.de

Bei der Reise auf den Spuren der Industriekultur kann man im Kreis Offenbach auch technische Höhenflüge entdecken. Ein paar Kilometer westlich von Heusenstamm liegt Zeppelinheim im Schatten des Frankfurter Airports. Der heutige Stadtteil von Neu-Isenburg war in den 1930er Jahren der Dreh- und Angelpunkt für Luftschiffe. „Die dicken Zigarren der Lüfte“ starteten vom Kreis Offenbach aus zu Reisen über den Atlantik bis nach Amerika. Das Zeppelin-Museum erzählt dazu heute ein Stück Geschichte und viele außergewöhnliche Geschichten.

Die Industriekultur erlebte mit der Landung des ersten Luftschiffes in Zeppelinheim ihren Aufstieg. Die ersten Bewohner des Ortes kamen 1936 vom Bodensee, genauer gesagt aus Friedrichshafen. Damals wurden Wohnungen für die Besatzungsmitglieder der Deutschen Zeppelin-Reederei gebraucht. Die Kapazitäten des sogenannten Flughofes Rebstock in Frankfurt reichten nicht mehr aus. Im Wald westlich von Neu-Isenburg entstand 1937 auf Frankfurter Gemarkung die erste Werkssiedlung der Deutschen Zeppelin-Rederei. Später entwickelte sich nebenan der Frankfurter Flughafen.
www.neu-isenburg.de/leben-und-wohnen/stadt-und-geschichte/stadtteile/zeppelinheim
www.der-isenburger.de/aktuell/09-12/pdfs/10.pdf
www.zeppelin-museum-zeppelinheim.de

1937 starteten die ersten Zeppeline für Passagierfahrten nach Amerika. Enthusiastisch war der Empfang in den USA. Präsident Roosevelt empfing Dr. Eckener und Kapitän Lehmann im Weißen Haus. 1929 umrundete das Luftschiff „Graf Zeppelin“ zum ersten Mal und als einziger Zeppelin die Erde.
www.zeppelin.de/de/PDF/Aera_der_Zep_Luftschiffe.pdf
www.zeppelinfan.de/html-seiten/deutsch/luftschiff_zeppelin.htm

Das dicke Ende der „fliegenden Zigarren“ war die Katastrophe von Lakehurst am 6. Mai 1937, als die „Hindenburg“ bei der Landung in Amerika explodierte. 35 von 97 Menschen an Bord kamen dabei ums Leben. Auf dem Rhein-Main-Flugplatz wurden die Luftschiffe danach abgewrackt und die riesigen Hallen in die Luft gesprengt.
www.planet-wissen.de/natur_technik/luftfahrt/zeppeline

Im Museum in Zeppelinheim werden die Erinnerungen an die „Riesen der Lüfte“ wachgehalten. Hier tauchen auch die Geschichten rund um die versunkenen Luftschiffe wieder auf. Unterstützt von dem Verein der ehemaligen Zeppelin-Kameradschaft und der Stadt Neu-Isenburg weckt das Zeppelin-Museum mit besonderen Ausstellungen, Veranstaltungen und Workshops für Kinder die Begeisterung für die Luftschifffahrt.
www.zeppelin-museum-zeppelinheim.de

brückenmühle
Industriekultur kann man in manchen Kommunen des Kreises mit allen Sinnen erfahren. In alten Fabriken riecht es nach Maschinenöl und anderswo summt eine Schleifmaschine, mit der Edelsteine verfeinert wurden. In Mühlheim plätschert das Wasser des Baches Rodau in die Schaufeln eines Mühlrades aus dem 16. Jahrhundert, das einen Durchmesser von 5,60 Meter misst. Alles ist im Fluss.
www.geschichtsverein-muehlheim.net/GVM/Brueckenmuehle.html

Der Abschnitt der Route der Industriekultur, die durch den Nordosten des Kreises Offenbach führt, gehört zur Strecke „Hessischer Oberer Main“. Die Tour lädt Besucher dazu ein, mehr über den Basaltabbau in Dietesheim und den Kiesabbau in Mainhausen zu erfahren oder sich die Schleuse bei Mühlheim und den rund 100 Jahre alten und 45 Meter hohen Wasserturm dort anzusehen. Mühlheim erinnert auch an die Blütezeit der Lederindustrie. In der ehemaligen Pelzgerberei am Röstersee sind viele Maschinen und Bottiche zur Pelzherstellung noch intakt.
www.krfrm.de/c/rdik/index.html

In Sprendlingen und Neu-Isenburg geht es um die Wurst. Dort wurden früher von einer Handvoll Metzger die Frankfurter Würstchen hergestellt. Den Frankfurter Betrieben fehlte damals die Zulassung für die Metzgerzunft. Apropos schmecken. Zur Industriekultur im Kreis Offenbach gehört auch die Seligenstädter Brauerei Glaabsbräu, die vor rund 250 Jahren gegründet wurde und in der neunten Generation als ältestes Unternehmen im Kreis fortgeführt wird.
www.gamueller.de/original-frankfurter-wuerstchen.html

Die Arbeit in Ziegelbrennereien, in Lederwarenfabriken oder beim Kiesabbau brachte vielen Bürgern Wohlstand. Edle Schmuckstücke entstanden in einer Diamant-Schleiferei in Klein-Krotzenburg. Der örtliche Heimat- und Geschichtsverein hat in seinen Vereinsräumen einen Diamantschleif-Arbeitsplatz komplett rekonstruiert. In der Glanzzeit der Edelsteinschleiferei zwischen den beiden Weltkriegen arbeiteten rund 250 Beschäftigte in zwei Dutzend Betrieben. Heute existiert in Hainburg mit der Trauringmanufaktur Johann Kaiser noch einer der bundesweit wenigen Betriebe, der Schmuck selbst herstellt.
www.mytrauring.de/firma.html
www.hgv-hainburg.bplaced.net/verein.htm

Bild 13 Arbeiter der Firma Krebs Basaltabbau

In Mühlheim ist über einen alten Ort der Industriekultur Gras gewachsen: In den Dietesheimer Steinbrüchen wurden bis 1982 rund 15 Millionen Tonnen Gestein gefördert. Nach der Flutung des rund 23 Hektar großen Areals sind elf kleine Seen und ein Naherholungsgebiet im Regionalpark entstanden. Ein Spaziergang dort lohnt sich.
www.muehlheim.de/images/fb6/hochbau/stadtoekologie/steinbrueche/steinbruecheflyer.pdf

Unvergessen ist Neu-Isenburg als Produktionsstandort für Film und Fotoapparate. Die Familie Schleussner gründete 1920 die ADOX-Werke, die von Frankfurt nach Neu-Isenburg umsiedelten. Die Schleussners etablierten die erste fotochemische Fabrik der Welt. 1962 wurde ADOX von Dupont gekauft. Auch die Firma Ilford hatte ihren Deutschlandsitz in Neu-Isenburg.

Renommierte Unternehmen wie beispielsweise die Philipp Holzmann AG oder etwa der Kettenwirkmaschinen-Hersteller Mayer haben im Kreis Offenbach Geschichte geschrieben. Der örtliche Heimat- und Geschichtsverein eröffnete 1992 das Karl-Mayer-Museum, wo Weißstickerei und Spitzentechnik präsentiert werden.
www.karlmayer.com/internet/de/kmweltweit/unternehmens-vorstellung.jsp

Insbesondere im Osten des Kreises gab es früher viele Lederverarbeitungsfirmen, in denen Taschen und Schuhe genäht wurden. Sogenannte „Babbscher“ arbeiteten aber auch zu Hause. 1965 gab es in Hausen und Obertshausen 130 selbständige Unternehmen. Bis in die 1960er Jahre galten die beiden Orte, was das Steueraufkommen pro Kopf angeht, als eine der reichsten Gemeinden Deutschlands.
www.picard-lederwaren.de/index.php?cl=unternehmen&ident=1928

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